Uomo del movimento e del rinnovamento, di Christina Ujma

 

Questo articolo, in lingua tedesca,  è apparso nell'edizione di novembre 2007 di 'Sozialismus'. L'autrice è Christina Ujma, dal 1994 docente universitaria al Department di European of di International Studies and al Loughborough University, Inghilterra. E' rintracciabile in Internet qui:
http://www.linksnet.de/artikel.php?id=3461

 

Erneuerung und Arbeiterbewegung


'Wenn einer wie Trentin spricht, hat es keinen Sinn, sich zu fragen, ob er zur Linken oder Rechten der kommunistischen Partei gehört, denn wenn einer wie er spricht, dann versteht man, dass er mit seinem harten, kritischen Raisonnement und seinen kreativen Recherchen zu all denen gehört, die die rhetorischen Gemeinplätze und Schlampigkeiten hinter sich lassen wollen.' (Giorgio Bocca, 1973)[1]

Die Essenz dieses Ausspruchs des Journalisten Giorgio Bocca findet in vielen Nachrufen auf den am 23. August 2007 verstorbenen Gewerkschaftsführer und PCI-Politiker Bruno Trentin ein Echo. Das Erstaunen darüber, dass einer Arbeiterführer, Kommunist und Intellektueller sein kann und dabei keineswegs in den marxistischen Orthodoxien seiner Zeit befangen sein muss oder mit den wechselnden Versatzstücken des linken Polit-Jargons um sich wirft, prägt selbst die von alten Mitstreitern verfassten Würdigungen. Letztere betonen aber nicht nur die analytische Kraft und Originalität Trentins, sondern auch seine intellektuelle Offenheit, die internationale Orientierung und Entschlossenheit, die CGIL zu einer pluralistischen Gewerkschaft zu machen, die die Interessen von Angehörigen ethnischer Minderheiten genauso vertritt, wie die der traditionellen männlichen weißen Arbeiterschaft. Das Bekenntnis zu einer multikulturellen und multiethnischen Gewerkschaft steht wegen seines Insistierens ganz vorn in den Statuten der CGIL. Ein weiterer Punkt, an dem männlich geprägte westeuropäische Gewerkschaftsapparate oft Schwierigkeiten haben, ist die angemessene Repräsentation von Frauen in den Führungsebenen ihrer Apparate, auch dies ein Punkt, um den sich der Gewerkschaftsführer Trentin verdient gemacht hat.

Die Zukunftsfragen der italienischen wie der europäischen Arbeiterbewegung waren Thema seiner publizistischen Tätigkeit nach dem Rückzug aus der italienischen Politik. Seine Bücher Lavoro e libertà, Donzelli (1994); Il coraggio dell‘utopia. La sinistra e il sindacato dopo il Taylorismo, Rizzoli (1994); La città del lavoro – Sinistra e crisi del fordis­mo, saggio, Feltrinelli (1997); La libertà viene prima, Bruno Trentin, Roma, Editori Riuniti (2004) machen deutlich, dass er einer der wichtigsten Intellektuellen der italiensichen Arbeiterbewegung der Nachkriegszeit war.

Von der Aktionspartei zum PCI

Das hängt sicher auch mit seiner Biografie zusammen, die außergewöhnlich und gleichzeitig exemplarisch für die italienische Nachkriegslinke ist, eine Biografie, in der sich fast alle einschneidenden Ereignisse in der Geschichte der italienischen Linken in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts abzeichnen. Hierzu gehört auch eine unfreiwillige europäische Dimension, denn Trentin wurde 1926 in Frankreich geboren, wo seine Familie im antifaschistischen Exil lebte. Sein Vater Silvio Trentin war vor Mussolinis Herrschaft Professor in Venedig gewesen und stellte im französischen Exil eine intellektuelle Instanz der Antifaschisten dar. Nach dem Zusammenbruch des Mussolini-Regimes ging die Familie 1943 ins heimatliche Veneto zurück, um sich am Widerstand gegen die deutsche Wehrmacht und einheimische Faschisten zu beteiligen. Vater und Sohn schlossen sich der Partisanenorganisation Giustizia e Libertà an, wurden verhaftet und kamen wieder frei.

Nach dem Tod des schwerkranken Vaters im Jahr 1944 wurde Trentin im zarten Alter von siebzehn Jahren Kommandeur einer Brigade von Giustizia e Libertà. Diesen Partisanen-Hintergrund teilt er mit fast allen PCI-Politikern seiner Generation, wie Giorgio Napoletano, Pietro Ingrao, Rossana Rossanda oder Enrico Berlinguer, nur mit dem Unterschied, dass die meisten Genossen in den PCI-nahen Garibaldi-Brigaden organisiert waren, Giustizia e Libertà dagegen der Aktionspartei angehörte. Die­se libertär-sozialistische Formation hatte ihren Namen von Mazzinis linkem Flügel des Risorgimento geborgt und setzte damit ein deutliches Zeichen gegen ein Übermaß an Volksfrontpolitik, die in den Garibaldi-Brigaden verkörpert war. Ziel der Aktionspartei war es, an die freiheitlichen, säkularen und sozialreformerischen Strömungen des Risorgimento anzuknüpfen. Die Intellektuellenpartei versammelte Schriftsteller wie Primo Levi, Carlo Levi und Eugenio Montale, Wissenschaftler wie Gaetano Salvemini und Norberto Bobbio und zukünftige Spitzenpolitiker wie Ugo la Malfa und Carlo Azeglio Ciampi. In diesen linksbürgerlichen und libertären Zirkeln bewegte sich zunächst auch der junge Bruno Trentin. 1946 promovierte er bei Noberto Bobbio und ging danach mit einem Stipendium an die Universität Harvard, wo Gaetano Salvemini während des antifaschistischen Exils lehrte.

Nach der Begegnung mit dem CGIL-Generalsekretär Di Vittorio trat Trentin zusammen mit seinem Freund Vittorio Foa der Gewerkschaft nicht nur bei, sondern arbeitete ab 1949 auch für die wirtschaftswissenschaftliche Abteilung. Dies war in den Jahren der antikommunistischen Hetze, des kalten Bürgerkriegs und der Zerschlagung der CGIL als Einheitsgewerkschaft eine durchaus mutige Entscheidung. Als sich Trentin 1950, drei Jahre nach dem Ende der Aktionspartei, dem PCI anschloss, behielt er nicht nur viele seiner Freundschaften aus Giustizia e Libertà/Aktionspartei bei, sondern auch sein Engagement für einen libertären Sozialismus. 1958 wird er stellvertretender Generalsekretär der CGIL, von 1960-1973 war er Mitglied des Zentralkomitees des PCI, 1962 wird er Generalsekretär der Metallarbeitergewerkschaft FIOM, kommunistischer Parlamentsabgeordneter und schließlich 1988 Generalsekretär der CGIL, des kommunistischen Gewerkschaftsverbandes. 1992/93 vereinbarte er zusammen mit der christdemokratischen Gewerkschaft CSIL und der laizistischen UIL das Ende der Scala Mobile (Lohnklausel) und zog sich danach vom Vorstand der CGIL zurück.

Während all dieser Jahre hat Trentin sein Engagement in der Arbeiterbewegung auch immer mit europaweit rezipierten theoretischen Arbeiten begleitet, denen es zunächst um die Weiterentwicklung und Ausformulierung einer 'eurokommunistischen' Theorie ging. Bereits 1955 veröffentliche er eine Schrift über die kapitalistische Akkumulation in Italien, die publizistische Tätigkeit wurde 1962 mit einer Schrift über die Ideologien des Neokapitalismus fortgesetzt, wie er überhaupt kulturell stärker präsent war, als dies bei den deutschen Gewerkschaftern der Fall war.[2] Dies war aber durchaus im Sinn des PCI, dem es immer auch um die kulturelle und intellektuelle Hegemonie ging, weshalb sich in seinem Umfeld viele der kreativsten Köpfe der Nachkriegszeit tummelten.

In den 1970er und frühen 1980er Jahren widmete Trentin sich vor allem der theoretischen Auseinandersetzung mit Syndikalismus, Operaismus und den Basisgewerkschaften. Diese Bewegungen erregten bald europaweites Interesse, waren aktuell und umstritten. Bereits 1978 brachte der VSA-Verlag Trentins Schrift 'Da sfruttati a produttori' unter dem Titel 'Arbeiterdemokratie – Gewerkschaften, Streiks, Fabrikräten auf Deutsch heraus. 1982 folgte der Band 'Die andere Gewerkschaft – Vom traditionellen Syndikalismus zur politischen Bewegung. Gespräche mit Bruno Ugolini'.

Aufbruch zu einer neuen Linken

In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren wurde die Erneuerung der Arbeiterbewegung und der Linken zum Thema, über das Trentin seine wohl interessantesten theoretischen Arbeiten veröffentlichte. Città del lavoro. Sinistra e crisi del fordismo (1997), vom VSA 1999 unter dem Titel Befreiung der Arbeit – Die Gewerkschaften, die Linke und die Krise des Fordismus veröffentlicht, ist wohl einer der anregendsten Beiträge zur Aufarbeitung linker Versäumnisse in den letzten 80 Jahren und gleichzeitig ein Versuch der Neudefinition dessen, was Linke und Arbeiterbewegung heute sein könnten, wenn sie denn wollten. Seine zentrale These ist, dass die Linke viel zu lange am System des tayloristisch-fordistischen Entwicklungsmodells festgehalten hat und deshalb unfähig geworden ist, zukunfts- und mehrheitsfähige Entwürfe anzubieten. Er fordert, dass sich die Linke vollkommen aus ihrer Subalternität gegenüber dem Fordismus lösen muss, nicht nur weil dieser überholt ist, sondern weil es von Anfang an keine sonderlich gute Idee war, die linke Ideologie an eine Übernahme fordistischer Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle zu binden. Besonders im Theorieteil Gramsci und die europäische Linke blickt Trentin auf die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg zurück, als die Linke in Italien wie in vielen anderen europäischen Ländern stark und mächtig war, aber Europa trotzdem im Faschismus landete. Dieser Misserfolg liegt auch daran, dass die von der Sowjetunion ausgehende dominante Strömung des Marxismus eine Gesellschaft propagierte, die nach dem Modell einer fordistischen Fabrik organisiert war und Alternativentwürfe wenig Chancen hatten.

Im Ton zurückhaltend, aber in der Sache unerbittlich kritisiert er das Organisations- und Staatsverständnis traditioneller und weniger traditioneller Marxisten. Er argumentiert mit Gramsci, geht aber auch über ihn hinaus. Seine Gewährsleute sind hier oft deutschsprachige Marxisten und Marxistinnen. Dazu gehören natürlich Otto Bauer, aber auch Rosa Luxemburg, mit der er gegen die Staatsversessenheit der russischen Kommunisten argumentiert, die der Gesellschaft sämtliche Kreativität und Lebendigkeit austreiben würde. Mit Karl Korsch plädiert er gegen einen Sozialismusbegriff, der zwar die Eigentumsverhältnisse verändert, aber das Sys­tem nicht angreift, d.h. die Verhältnisse zwischen Personen und Organisationen nicht verändert. Er bezieht sich auf zahlreiche Denker des euromarxistischen und linkssozialistischen Spektrums, geht aber auch auf Entwürfe, die im antifaschistischen Exil in den Reihen von Giustizia e Libertà entstanden sind, zurück. Seine Abneigung gilt jener linken Angewohnheit, das Erreichen der Freiheit, die Überwindung der Arbeitsteilung und gesellschaftlicher Hierarchien auf ein fernes goldenes Zeitalter zu vertagen. Vorsichtshalber distanziert er sich aber auch von den Anarchisten, denen man schnell zugerechnet wird, wenn man als Linker für die Freiheit argumentiert.

Als Orte zukünftigen linken Handelns benennt er nicht nur das Bildungssystem, sonders auch die Ausgestaltung des Arbeitslebens, denn theoretisch macht das System neuer Arbeitsorganisation intelligentere Arbeitsformen möglich als sie der Fordismus bot. Auch die Stärkung der individuellen Rechte und der Bürgerechte sieht er als essentielle Aufgabe linker Politik an.

Bis zuletzt war Trentin in den politischen Debatten der Linken präsent. Nicht nur in seiner Funktion als Europaabgeordneter, sondern auch mit seinem letzten Buch La Liberta viene prima, in dem er versucht, die Linke als das zu rehabilitieren, als was sie ursprünglich angetreten ist, als eine Freiheitsbewegung. In seinem Beitrag zum CGIL-Symposium 2006 anlässlich des Jahrestages der sowjetischen Invasion in Ungarn stellt er erneut die freiheitlichen Traditionen der italienischen Arbeiterbewegung in den Vordergrund, denn der damalige CGIL-Führer Di Vittorio geriet 1956 über die Bewertung der ungarischen Ereignisse ernsthaft mit dem PCI-Generalsekretär PalmiroTogliatti aneinander.

Hier wie anderswo plädiert Trentin für eine Gewerkschaftsbewegung, die nicht korporativ, nicht untergeordnet unter die Parteien agiert, sondern fähig ist, mit ihnen politisch und kulturell auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln. Und daraus folgt die Verpflichtung einer vollen Bejahung des Wertes der gewerkschaftlichen Einheit, im Bewusstsein der Tragweite, die der Einigungsprozess in der Entwicklung der nationalen Gemeinschaft und der kreativen Verteidigung der republikanischen Verfassung annehmen kann.[3]


NOTE [1] http://www.unita.it/view.asp?IDcontent=68324 Quando parla uno come Trentin non ha senso chiedersi se appartenga alla destra o alla sinistra del partito comunista, perché quando parla uno come lui si capisce che il duro ripensamento critico e la ricerca creativa appartengono a tutti coloro che vogliono uscire dai luoghi comuni, dalle pigrizie.
[2] Bruno Trentin, Ideologia del Neocapitalismo, Roma 1962
[3] http://www.rassegna.it/2006/centenario/articoli/trentin.htm '… non corporativo, non subordinato ai partiti ma capace di dialogare con loro in ragione della sua autonomia politica e culturale; e quello dell’impegno per la piena affermazione del valore dell’unità sindacale, nella consapevolezza della portata che il processo unitario può avere per lo sviluppo della comunità nazionale e per la difesa creativa della Costituzione repubblicana.'